Die Geschichte der „Protestantischen Hauptkirche” beginnt im Jahr 1648. Als der Westfälische Friede den Dreißigjährigen Krieg beendete, erhoben die evangelischen Dinkelsbühler die Forderung auf gemeinsame Nutzung der St. Georgskirche. Da sie aber im „Normaljahr” 1624 katholisch war, blieb sie katholisch. Die Evangelischen erhielten die Spitalkirche. In einem Sondervertrag wurde ihnen erlaubt, sich auf eigene Kosten eine größere Kirche zu bauen. Daran konnte man aber infolge der Kriegsschäden nicht denken. Die evangelische Gemeinde richtete sich, so gut es ging, in der viel zu kleinen Spitalkirche ein.
Durch die Säkularisation ging die Karmeliterkirche mit dem angebauten Kloster in den Besitz des bayerischen Staates über. Nun wurde sie verkauft. Die evangelische Kirchengemeinde erhielt 1812 die „allerhöchste Genehmigung” des Staates zum Kauf dieser Kirche. Sie sollte umgebaut werden. Aber das königliche Konsistorium in Ansbach nahm den Standpunkt ein, „dass das Geld nicht umsonst ausgegeben sein dürfe, da es der ansehnlichen Stadtgemeinde zu einer geräumigeren und schöneren Kirche verhelfen sollte”
Die Klosterkirche der Karmeliter wurde 1839 abgebrochen um Platz für den Bau der „Protestantischen Hauptkirche” zu schaffen. Sie wurde nach dem Plan des ansbachischen Civilbauinspektors Schulz im „byzantinischen Styl” errichtet. Aus der Klosterkirche stammt noch die südliche Langhauswand. Schon im Herbst 1840 waren die Grundmauern aufgeführt und das Dach gedeckt. Im Sommer 1843 wurde das Innere der Kirche vollendet.
Bei der Einweihung am 19. November 1843 waren damals schon Gemeindemitglieder beider Konfessionen anwesend. Am Vorabend läuteten alle Glocken. Am Morgen des festlichen Tages krachten Salutschüsse des städtischen Geschützes. Ein Bläserchor spielte vom Kirchturm den Choral: „Wachet auf, ruft uns die Stimme”. Der Höhepunkt der Feier war das Abendmahl. Anschließend wurden drei Kinder getauft und ein Brautpaar gesegnet.
Die Gemeinde war froh, endlich im Besitz einer großen und, wie es im Einweihungsprotokoll heißt, „sehr schönen und solid dargestellten Kirche zu sein, deren Inneneinrichtung eines Gotteshauses würdig sei”.
Der „segnende Christus” im Bogenfeld der Vorhalle grüßt die Kirchenbesucher. Er wurde 1842 vom Bildhauer Bernhard Afinger in Berlin entworfen und von Leopold Kießling in München ausgeführt.
Denke an einen Menschen
Sprich ein Gebet
Zünde ein Licht an
Geh in Frieden
Da die Kirche oft auch außerhalb der Gottesdienstzeiten aufgesucht wird, entstand die Idee zu diesem Mehrheitsleuchter, den ein einheimischer Kunstschmied entworfen und hergestellt hat.
Der Mehrheitsleuchter ist in Messing, mit einem Durchmesser von 80cm und einer Höhe vom ca. 100 cm. Der Leuchter greift das Motiv des Altarkreuzes, Christus als Weltenherrscher, auf und erweitert es.
Zentrum des Leuchters ist die Christuskerze an der Stelle der Sonne: Auf den Ringen sind kleine Schalen angebracht, die Teelichter aufnehmen können. Von hier kommt das Licht und Leben. Die Schale, in der die Christuskerze steht, trägt das Christusmonogramm Chi Ro (PX).
Konzentrisch um die Mitte ordnen sich die Bahnen der seit dem Altertum bekannten „Planeten” an (Merkur, Venus, „Erde”, Mars, Jupiter und Saturn).
Zeittafel
1839 Abbruch der Klosterkirche
1840/34 Bau der „Protestantischen Hauptkirche”
Einweihung am 19. November 1843
1913 Einbau der Heizung
1924 Namensänderung „St. Paulskirche”
1926 Bilder zur „Ausschmückung der kahlen Kirchenwände”
1927 Einrichtung der elektrischen Beleuchtung
1937 Bau der neuen Orgel
1953/54 Ausbesserung des Kirchendaches
Erneuerung des Turmkranzes
1966 Anschaffung eines neuen Geläutes mit 4 Glocken
1987/89 Außeninstandsetzung in 3 Abschnitten
1992/93 Inneninstandsetzung
Einweihung am 4./5. Dezember 1993
1994 Einbau der neuen Orgel
Die St. Paulskirche als Pilgerkirche
Pilgern ist "in" - das klingt vielleicht ein bisschen oberflächlich, stimmt aber. Viele Wege sind inzwischen wiederentdeckt oder neu entstanden, neben das Pilgern zu Fuß ist das Radpilgern "gerollt" ("getreten" stimmt ja irgendwie nicht).
Allein oder in der Gruppe unterwegs zu sein, mit Pausen und geistlichen Impulsen; unter dem Laufen oder Radfahren Gehörtes und Gesehenes meditieren. Abends den Austausch pflegen, morgens den Tag mit Gebet und Segen beginnen: Viele Aspekte kommen zusammen, die im ganz normalen Alltag vielleicht zu kurz kommen, aber so eine Auszeit zu einer besonderen Zeit werden lassen.
Durch Dinkelsbühl laufen zwei Pilgerwege: eine Etappe des Jakobswegs von Ansbach nach Ulm (https://www.pilgern-bayern.de/jakobswege-bayern/ansbach-ulm) sowie die Romea Germanica, ein Teil der Via Romea, die von Stade bis Rom führt (https://www.viaromeagermanica.eu/de/).
Ein Pilgerstempel ist vorhanden.
Pilgern auf der Via Romea – Pilgergruppe auf dem Weg nach Rom besucht Dinkelsbühl
Abt Albert von Stade hat 1236 seine Pilgerreise von Stade nach Rom beschrieben. Er hat in seinen detaillierten Aufzeichnungen auch Dinkelsbühl als Station erwähnt. Unter dem Motto „Pilger öffnen Horizonte“ hat die Organisation „viaromea“ angeboten, diesen europäischen Pilgerweg Stade – Rom zu bewerben und vom 19.06. bis zum 13.10.2022 auf diesem Weg mitzupilgern.
Andreas Dambacher, der als Wegpate für den Pilgerabschnitt Feuchtwangen – Nördlingen drei Tage die Organisation übernommen hat, erreichte mit seiner 10- köpfigen Pilgerschar am Sonntag, 7.8. Dinkelsbühl. Ingeborg Raab begrüßte die Pilger am Rothenburger Tor und zeigte auf einer Stadtführung die Schönheiten der Altstadt. Im Nördlinger Tor wurden die Pilger, die bei heißen Sommertemperaturen unterwegs waren, mit einem kleinen Umtrunk und Imbiss von dem Verein „Getreue des Königs Gustav Adolf e.V.“ in historischen Gewändern überrascht. Am nächsten Morgen machte sich die Gruppe von ihrem Übernachtsquartier Segringen auf den Weg nach Dinkelsbühl. Sieben Dinkelsbühler Pilgerinnen unter der Leitung von Ingeborg Raab schlossen sich der Gruppe für die Etappe nach Fremdingen an. In der Paulskirche erhielten sie von Pfarrer Dr. Gerhard Gronauer den Pilgersegen und Denkanstöße mit auf den Weg. An der Wörnitz entlang ging die Strecke nach Wilburgstetten. Im Schatten nahe der katholischen Kirche St. Margareta erwarteten Bürgermeister Michael Sommer und Pater Thomas die Gruppe mit einer Stärkung für den weiteren Weg. Nach dieser erfrischenden Pause mit einem Gebet und dem Lied „Geh aus mein Herz“ ging es in die bewaldeten Höhen des Oettinger Forstes. Bürgermeister und Pfarrer sowie einige Gemeindeglieder ließen es sich nicht nehmen, die Pilger bis Bosacker zu begleiten. Abwechselnd wurde der Pilgerstab weitergereicht. Am Verlassen des Waldes tritt man ein in das Nördlinger Ries, ein 25 km rundes Kraterloch, das die Schwäbische und Fränkische Alb trennt. Ein besonderer Rundblick tut sich auf und nun hat man nicht nur den Bezirk Mittelfranken verlassen, sondern auch die Sprachgrenze zwischen Franken und Schwaben überschritten. Nach 19 km bei hochsommerlicher Hitze verabschiedeten sich die Dinkelsbühler in der Klosterkirche in Fremdingen, um den öffentlichen Nahverkehr nach Hause zu erreichen. Dieser Pilgertag auf dem Pilgerweg nach Rom, der Via Romea, hinterließ bei allen Mitpilgerinnen viele erfüllte Begegnungen und Eindrücke. Pilgern ist nicht nur ein äußerer Weg, geprägt durch Hitze, Strecken, Ausblicke und Mühsal, sondern auch ein innerer Weg, zu sich selbst und zur Begegnung mit Gott.
Ingeborg Raab
Die St.Paulskirche ist von Montag bis Sonntag von 8:30 bis 17:30 Uhr für Besichtigungen geöffnet (außer während der Gottesdienste).